Weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus bekannt ist die Route Industriekultur, die in diesem Städteverbund angesiedelt ist. Ihre „kleine Schwester“, die Route Industrienatur, ist leider deutlich weniger Menschen ein Begriff. Diese Route besteht derzeit aus 19 verschiedenen Standorten (Stand: Februar 2025). Einer davon ist der Gleispark Frintrop in Essen an der Grenze zur Nachbarstadt Oberhausen, der bis 2007 Ruderalpark Frintrop hieß. Das rund 25 Hektar große Areal grenzt an Wohngebiete und ist sowohl mit dem Auto als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen.

Spätsommer im Gleispark Frintrop; Foto: 26.08.2023
Spätsommer im Gleispark Frintrop; Foto: 26.08.2023

Auf den ersten Blick mag der Begriff Industrienatur widersprüchlich erscheinen. Die landläufige Meinung besagt, dass Natur keinen Platz findet, wo Industrie angesiedelt ist. Tatsächlich aber verbirgt sich hinter dem Begriff eine besondere Organismenwelt, die sich im Ruhrgebiet dort entwickeln konnte, wo einst Industrie existierte und inzwischen verschwunden ist.

Wo sich heute der Gleispark befindet, erstreckten sich in der Vergangenheit die Gleise des Rangierbahnhofs Essen-Frintrop, der hauptsächlich für den industriellen Güterverkehr genutzt wurde. Er war an das Streckennetz der 1847 erbauten Köln-Mindener Eisenbahn angebunden. In den 1960er-Jahren wurde der Bahnhof stillgelegt, da die Montanindustrie zu dieser Zeit ihren Niedergang erlebte und die entsprechenden Güter in kaum noch rentablen Mengen transportiert werden mussten. Die Gleise verblieben noch lange im Boden, sind aber längst entfernt worden, sodass man dieser Naturoase heute nicht mehr ohne Weiteres ansieht, welchem Zweck sie einst diente.

Der Birkenwald des Gleisparks Frintrop im Winter; Foto: 03.02.2019
Der Birkenwald des Gleisparks Frintrop im Winter; Foto: 03.02.2019

Der Güterverkehr, der lange Zeit in Frintrop abgewickelt wurde, hatte einen erheblichen Einfluss auf die Umgebung. Da die Waggons mit Industrieprodukten wie Stahl, Kohle, Eisenerz und Kalk beladen waren, gelangten diese Stoffe als Ladungsverluste immer wieder – meist in geringen Mengen – auf den Boden. Der Gleisschotter trug sein Übriges dazu bei, da er sich durch die Sonneneinstrahlung enorm aufheizte und dadurch den darunter liegenden Boden stark austrocknete. Nach und nach veränderte sich so der Wasserhaushalt des Untergrundes, was sich wiederum auf das gesamte Mikroklima des Geländes auswirkte.

Heute wirkt das Gebiet teilweise steppenartig, vor allem die typischen Pionierpflanzen konnten sich anfangs erfolgreich ansiedeln. Inzwischen wachsen dort aber bereits hohe Stauden und erste Gehölze – die natürliche Entwicklung von ersten niedrigen Pflanzen hin zu Bäumen setzt sich zusehends fort. Deshalb wird der Gleispark gepflegt, um ihn zumindest stellenweise offen zu halten und so die passenden Bedingungen für Pionierarten beizubehalten. In der Bevölkerung sind diese Pflegemaßnahmen zum Teil umstritten, da vielen Menschen die enorme Bedeutung der offenen Landschaftsteile nicht bewusst ist. Gerade in diesen Offenlandbereichen sind besonders viele Arten zu finden, darunter auch viele wärmeliebende Spezies.

Zu den Tieren, die dort leben, gehören vor allem Insekten. Hervorzuheben sind die Blauflügelige Sandschrecke und die Blauflügelige Ödlandschrecke, die auf warme Standorte angewiesen sind und beide in Nordrhein-Westfalen als stark gefährdet gelten, siehe Liste des LANUV NRW. Ähnlich verhält es sich z.B. mit dem Kleinen Sonnenröschen-Bläuling, einer Tagfalterart, die ich selbst schon mehrfach im Gleispark Frintrop beobachten konnte. Auch sein Bestand gilt in NRW als gefährdet.

Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) im Gleispark Frintrop; Foto: 24.07.2016
Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) im Gleispark Frintrop; Foto: 24.07.2016

Im Gleispark fallen im Sommer besonders die Wespenspinnen auf, die in ihren Netzen an vielen Stellen der warmen, offenen Bereiche des Parks zu finden sind. Auch Säugetiere wie Wildkaninchen sind dort heimisch. Für Vogelbeobachter dürfte von Interesse sein, dass rund um die Freifläche im westlichen Teil des Gleisparks im Sommer mit etwas Glück singende Baumpieper zu beobachten sind. Darüber hinaus sind dort im Frühjahr und Sommer recht zuverlässig drei Grasmückenarten anzutreffen: Dorngrasmücke, Gartengrasmücke und Mönchsgrasmücke. Gelegentlich halten sich im Gleispark außerdem Klappergrasmücken auf.

Jenseits der offenen Landschaft des Gleisparks erstrecken sich im südlichen Teil ein Birkenwäldchen, dessen „Unterholz“ von verschiedenen kleineren Sträuchern und krautigen Pflanzen gebildet wird. Dort gedeihen Arten wie der Schwarze Nachtschatten und die allgegenwärtige Armenische Brombeere, und auch der Schmetterlingsflieder ist in großer Zahl vertreten. Einige Vogelarten, darunter die Ringeltaube, die Amsel, Blau- und Kohlmeise sowie die Schwanzmeise, sind häufig dort anzutreffen. Darüber hinaus beheimatet dieser kleine Industriewald etliche Insektenarten.

Rotes Ordensband (Catocala nupta) in der Gleispark-Unterführung; Foto: 21.08.2016
Rotes Ordensband (Catocala nupta) in der Gleispark-Unterführung; Foto: 21.08.2016

Wer gern Nachtfalter anschaut, sollte es nicht verpassen, eine bestimmte Stelle aufzusuchen: Wo die Wertstraße und die Zugstraße von der Dellwiger Straße abzweigen, befindet sich eine beleuchtete Unterführung, die den Zugang zum Gleispark ermöglicht. Das künstliche Licht dieser Unterführung zieht oft Nachtfalter an, die sich gut beobachten lassen. Allerdings wird die Unterführung häufig zum Wildpinkeln missbraucht, was zu unangenehmen Gerüchen führen kann.

Unmittelbar westlich des Gleisparks fließt ein Gewässer, das erst vor Kurzem renaturiert wurde: Der Läppkes Mühlenbach erhielt ein mäandrierendes Bett. Davon ist allerdings kaum noch etwas zu sehen, weil die unmittelbare Umgebung inzwischen von einer Vielzahl von Pflanzen bewachsen ist. Im und am Bach leben zahlreiche Tiere, darunter die Kreuzkröte. Sie nutzt ebenso die im Gleispark für sie angelegten, kleinen Gewässer. Diese sind sehr flach und fallen immer wieder trocken, was so gewollt ist, da Kreuzkröten in temporären Gewässern laichen. Das schützt ihren Nachwuchs vor zu vielen räuberisch lebenden Libellenlarven, denn diese kommen mit allzu häufig und zu schnell austrocknenden Gewässern nicht zurecht.

Das neu geschaffene Bett für Läppkes Mühlenbach; Foto: 22.07.2019
Das neu geschaffene Bett für Läppkes Mühlenbach; Foto: 22.07.2019

Der Gleispark Frintrop hat Naturbegeisterten das ganze Jahr über viel zu bieten. Allerdings gibt es einen entscheidenden negativen Aspekt: Die sehr starke Nutzung des Geländes als Hunde-Freilufttoilette. Leider entfernen die meisten Menschen die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner nicht. Manche nennen den Gleispark ohne jede Empathie den „Scheißpark“. Das musste ich mir oft anhören, wenn sich meine ehemaligen Nachbarn in Essen-Frintrop zum Gassigehen verabredeten … Besonders an heißen Sommertagen stinken die vielen Kothaufen unerträglich, zumindest für meine empfindliche Nase. Ich empfehle auch, unempfindliche Schuhe zu tragen. Denn während man sich auf die Naturbeobachtung konzentriert, tritt man allzu leicht in die überall herumliegenden Hundehaufen.

Im Folgenden finden Sie einige Impressionen aus dem Gleispark, die die Landschaft zeigen. Darunter gibt es Links zu weiteren Fotosammlungen von Tieren, Pflanzen und Pilzen aus dem Gebiet. Ganz unten habe ich einige Linktipps ergänzt.

Impressionen aus dem Gleispark Frintrop

Weitere Fotos aus dem Gleispark Frintrop

Schmetterlinge im Gleispark Frintrop

Schmetterlinge im Gleispark Frintrop

Auf dieser Seite finden Sie eine Fotosammlung einiger Schmetterlingsarten, die ich im Gleispark...
Käfer im Gleispark Frintrop

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Als artenreichste Insektenordnung sind die Käfer im Gleispark Frintrop entsprechend stark ...
Tiere im Gleispark Frintrop

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Neben Schmetterlingen und Käfern gibt es im Gleispark Frintrop noch eine Vielzahl anderer ...
Pflanzen und Pilze im Gleispark Frintrop

Pflanzen und Pilze im Gleispark Frintrop

Der Gleispark Frintrop ist ein lohnendes Ausflugsziel für botanisch Interessierte. Dort findet ...

Linktipps

Gleispark Frintrop bei Wikipedia.de
Gleispark Frintrop | Industrienatur – Essen
Gleispark Frintrop auf der Website Ruhrgebiet-industriekultur.de
Naturbeobachtungen und Fotos aus dem Gebiet auf dem Meldeportal von NABU|naturgucker