Das Jahr 2010 war das Internationale Jahr der Biodiversität, also der Artenvielfalt. Zudem rief die Redaktion der Zeitschrift GEO im Frühjahr 2010 zum zwölften Mal ihren Tag der Artenvielfalt aus; er fand am 12. Juni statt. In ganz Deutschland beteiligten sich Interessierte an ganz unterschiedlichen Orten. Überall ging es darum, die Zahl der Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zu ermitteln oder bestimmte Lebensräume näher zu erkunden. Auf diese Weise wurden Informationen über die biologische Vielfalt aus allen Teilen der Bundesrepublik zusammengetragen. An der Planung und Organisation der Düsseldorfer Veranstaltung waren unter anderem die Biologische Station Haus Bürgel, die AG Natur + Umwelt Haan, die Baumgeister Himmelgeist und der NABU Düsseldorf.
Am 12. und 13. Juni 2010 unternahmen die Fachleute – teils unter sich, teils begleitet von Interessierten aus der Bevölkerung – verschiedene Exkursionen in das Naturschutzgebiet Himmelgeister Rheinbogen mit seiner berühmten, damals noch in voller Pracht stehenden Rosskastanie. Auch ich habe mich einigen dieser Fachleute angeschlossen. Darüber hinaus bin ich allein mit meiner Kamera durch das Gebiet gezogen, um möglichst viele Arten zu sehen und zu dokumentieren. Letzteres war in einigen Fällen nicht möglich, zum Beispiel bei der sehr unkooperativen Hornisse, die direkt ins Dickicht flog, oder bei dem Fasanenweibchen, das nur einen Meter vor mir plötzlich aus dem Gras aufflog und sich schimpfend aus dem Staub machte, bevor ich die Kamera auch nur hochheben konnte. Trotzdem hat mir die Fotosafari in meiner Heimat viel Spaß gemacht und tolle Funde beschert.
Am leider sehr verregneten Morgen des 12. Juni 2010 bestaunte ich die für die Datenerhebung lebend gefangenen Rheinfische. Und so blieb es auch, denn die Arten sollten nur gezählt werden, anschließend wurden die Fische wieder in die Freiheit entlassen. Aufgrund seiner inzwischen sehr guten Wasserqualität ist der Rhein ein wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Arten. Neben Neunauge, Zander und Rapfen gibt es eingewanderte bzw. vom Menschen eingeschleppte Arten wie die Schwarzmundgrundel. Diese Fischart ist aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet am Kaspischen Meer über verschiedene Gewässer wie den Main-Donau-Kanal in den Rhein gelangt. Eine weitere Art aus einem fernen Erdteil ist die Chinesische Wollhandkrabbe. Wichtiger Sicherheitshinweis: Die Fangaktion wurde von Fachleuten durchgeführt, die über eine Sondergenehmigung verfügten. Abgesehen davon, dass es nicht erlaubt ist, einfach Fische zu fangen, ist es auch gefährlich, ohne vorheriges Training in den Rhein zu steigen. Die Strömung ist teilweise sehr stark und kann lebensgefährlich sein.
Meine Vogelzählwanderung habe ich am 12. Juni alleine unternommen und dabei viele schöne Arten gesehen, darunter einen Rotmilan, Kiebitze, eine Schafstelze, Sturmmöwen, Nachtigallen und am Abend konnte ich noch einen Pirol rufen hören. Spannend war auch der abendliche Spaziergang im rötlichen Licht der untergehenden Sonne. Im Wäldchen im südlichen Teil des Himmelgeister Rheinbogens kamen unzählige Weinbergschnecken zum Vorschein. Dort gelang es mir außerdem, eine Gruppe sehr junger Gartenkreuzspinnen zu beobachten. Neben den vielen Tier- und Pflanzensichtungen war es ein Genuss, das Naturschutzgebiet im warmen Licht der Abendsonne zu erleben.
Nach Einbruch der Dunkelheit traf ich am 12. Juni gewissermaßen auf die Nachtschicht der Zählaktion: Eine Gruppe von Fachleuten hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Lichtfallen, für deren Einsatz im Naturschutzgebiet natürlich eine Sondergenehmigung vorlag, auf die Suche nach Nachtfaltern zu gehen. Trotz recht niedriger Temperaturen – es war eine der kältesten Nächte des Frühjahrs 2010 – harrten die Schmetterlingsbegeisterten bis spät in die Nacht an den Lichtfallen aus. Der Lohn der Mühe: Rund 100 Schmetterlingsarten sind zum Licht gekommen und haben sich für den GEO-Tag zählen lassen. Für mich war es das erste Mal, dass ich bei einer Lichtfallenaktion dabei war. Ich habe großen Respekt vor diesen Schmetterlingsbegeisterten, denn es ist nicht nur schwierig, die vielen Arten sicher zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass Schmetterlingszählungen bei Temperaturen wie in jener Nacht durchaus anstrengend sein können.
Alles in allem war ich von den vielfältigen – oder besser gesagt „vielfalterigen“ – Eindrücken begeistert und bin nach nur wenigen Stunden Schlaf am Morgen des 13. Juni 2010 wieder früh durch das Naturschutzgebiet gewandert. Das morgendliche Vogelkonzert war überwältigend. Und das Wetter spielte endlich auch perfekt mit. Es gab Sonne satt mit ein paar Schönwetterwolken, also ideales Insektenflugwetter! Meine Kamera war im Makro-Modus im Dauereinsatz. Allerdings muss ich gestehen, dass ich bei weitem nicht alle Arten, die ich fotografiert habe, auch benennen konnte. Das Bestimmen von Insekten ist in manchen Fällen anhand von Fotos nicht möglich. Deshalb haben einige Fachleute am GEO-Tag Insekten gefangen, um sie unter dem Binokular zu bestimmen. Für die Forschung wurden somit einige der Tiere getötet. Das war für mich ein kleiner Wermutstropfen.
Das herrliche Wetter am Sonntag bescherte mir im Laufe des Tages viele schöne Beobachtungen, angefangen von einem gerade flügge gewordenen Zaunkönig über eine zufrieden auf einem Bein sitzende Dorngrasmücke bis hin zu bunten Blumen und Insekten auf dem Deich. Die Blumenwiese auf der rheinabgewandten Seite des Deiches ist ein Paradies für alle, die gerne viele Arten auf engem Raum sehen. Meine persönlichen Favoriten waren an diesem Tag der Kleine Fuchs und der Distelfalter.