Das Gebiet zwischen Puerto Quepos und dem Nationalpark Manuel Antonio sowie der Halbinsel Osa ist verglichen mit anderen Gegenden an der nördlichen Pazifikküste Costa Ricas oft etwas weniger stark von Reisenden frequentiert. In der Nähe der Orte Uvita oder Dominical findet man kilometerlange, fast menschenleere Sandstrände. Während meiner Rundreise Anfang 2004 verbrachte ich zwei Tage im Hotel Villas Gaia, das in unmittelbarer Nähe des Schutzgebietes Reserva Playa Tortuga liegt. Wenige Kilometer nördlich befindet sich der Nationalpark Marino Ballena, der sich bis nach Uvita erstreckt.

Für mich war diese Gegend ideal, um Ausflüge zu unternehmen, Tiere und Pflanzen zu beobachten und ausgiebig zu fotografieren. Unberührte Natur mit einer entsprechend großen Artenvielfalt sowie eine atemberaubende Küstenlandschaft zeichnen die Umgebung aus. Aber eigentlich war mein Aufenthalt dort deutlich zu kurz. Zwei Tage sind viel zu wenig Zeit, um die Besonderheiten dieses Landstrichs auf sich wirken zu lassen und die artenreiche Flora und Fauna ausgiebig zu erkunden. Und abgesehen davon, dass dieser Teil des Landes zu ausgedehnten (Natur-)Spaziergängen einlädt, eignet sich dieser Ort auch hervorragend zum Entspannen.

Es war für mich ein ganz besonderes Erlebnis, von der Aussichtsplattform des Hotels auf einem kleinen Hügel auf die Küstenebene und den Pazifik zu schauen, über dem sich riesige Wolkentürme erhoben. Besonders kurz vor Sonnenaufgang schimmerte der Ozean in Pastelltönen wie Rosa und Hellblau, dazu wehte eine leichte Brise und die Vögel stimmten in der üppigen Vegetation ringsum ihren Morgengesang an. Es sind Momente wie diese, die einen Aufenthalt an der Pazifikküste Costa Ricas zu etwas Unvergesslichem machen.

Ganz in der Nähe des Hotels befindet sich ein Wasserlauf, der je nach Regenmenge mehr oder weniger Wasser führt. Er heißt Río Tortuga und mündet im nach ihm benannten Schutzgebiet Playa Tortuga in den Pazifik. Wenige hundert Meter vor seiner Mündung durchfließt der Fluss eine Küstenebene mit teilweise dichter Vegetation, die ein lohnendes Ziel für Wanderungen ist. Dort traf ich auf interessante Pflanzen und Tiere, unter anderem auf mächtige Zebu-Rinder. Sie stammen ursprünglich aus Indien und werden in Costa Rica als Nutztiere gehalten. Die beste Zeit für Tierbeobachtungen waren die noch kühlen Morgenstunden, denn dann sind die meisten Tiere am aktivsten.

Neben eher unberührten Bereichen gibt es in dieser Gegend auch stark vom Menschen geprägte Flächen. Dazu gehören zum Teil sehr große Rinderweiden sowie Bananenplantagen. Durch eine solche bin ich damals vom Hotel aus auf dem Weg zum Strand gelaufen. Zwischen den Stämmen der Bananenstauden herrschte eine ganz besondere Atmosphäre und laut meinem Reiseführer ist dies ein typischer Lebensraum für Königsboas (Boa constrictor). Gerne hätte ich eine dieser imposanten Schlangen gesehen, aber leider konnte ich keine entdecken. Dafür gab es jede Menge großen Netze der Goldenen Seidenspinne (Nephila clavipes), die faszinierend glänzten. Nirgendwo sonst in Costa Rica habe ich größere Netze dieser Spinnenart gesehen als in der Bananenplantage bei Playa Tortuga.

Da in der Küstenebene viel Vieh weidete, waren die weithin sichtbaren weißen Kuhreiher (Bubulcus ibis) meist nicht fern. Morgens flogen sie in kleinen Gruppen von bis zu zehn Vögeln von ihren Schlafplätzen in die Ebene und schienen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne in den Bäumen zu genießen. Neben den Kuhreihern waren in dieser Zeit auch viele andere Vogelarten in der Ebene anzutreffen, wie zum Beispiel der scheue Drosselwaldsänger (Parkesia noveboracensis) oder der weitaus weniger scheue Gelbkopfkarakara (Milvago chimachima). Diese Greifvögel zogen damals häufig über der Ebene ihre Kreise am Himmel.

Für viele Menschen sind nur saubere und aufgeräumte Küstenabschnitte echte Traumstrände. Als Naturliebhaberin sehe ich das anders. Die wilde, ungezähmte und vor allem unaufgeräumte Küste hat mir sehr gut gefallen. Der insbesondere bei Ebbe sehr breite Strand war während meines Aufenthaltes in Playa Tortuga mit angeschwemmtem und von der Sonne gebleichtem Totholz bedeckt. Zwischen diesen Baumstümpfen pulsierte das Leben, obwohl der Sand um die Mittagszeit eine enorme Hitze ausstrahlte. Trotzdem flitzten unzählige kleine Krabben über den Strand. Auch Reptilien konnte ich beobachten – und natürlich Vögel.

In der Nähe der Flussmündung befand sich damals eine Brackwasserlagune, wo Vögel wie der langbeinige Gelbschenkelstrandläufer (Tringa melanoleuca), der flinke Drosseluferläufer (Actitis macularius) und andere gefiederte Küstenbewohner wie der Steinwälzer (Arenaria interpres) nach Nahrung suchten. Ich hatte Glück und konnte einen Grünfischer (Chloroceryle americana) bei der Jagd beobachten. Diese auffällig gefärbten Tiere aus der Familie der Eisvögel saßen gerne auf Baumstümpfen oder Ästen in der Nähe der Lagune, um von dort aus nach kleinen Fischen im Wasser zu tauchen.

Das im Rhythmus von Sonne und Mond auf- und abfließende Wasser des Pazifiks modelliert mit seinen Gezeitenströmen den Strand täglich neu. Die Wassermengen, die aus dem Landesinneren über kleine Bäche und Flüsse ständig dem Meer zugeführt werden, tragen zur ebenfalls Gestaltung des Strandes bei. Dieses Süßwasser aus dem Landesinneren gräbt sich in den lockeren Sand und lässt bei Ebbe an vielen Stellen geschwungene Abbruchkanten entstehen. Alles verändert unablässig seine Form. An diesem Küstenabschnitt ist der ständige Wandel gewissermaßen die wichtigste Konstante. Deshalb sieht die Gegend bei jeder Wanderung im Detail ein wenig anders aus.

Spannend ist es auch, die Rinder zu beobachten. In den heißesten Stunden des Tages ruhen sie sich gerne im Schatten der hohen Bäume aus. Manchmal liegen sie mitten auf dem Wanderweg und ich muss zugeben, dass mir schon ein wenig mulmig wurde, als ich ganz nah an den großen, aber meist sehr friedlichen Tieren vorbeigehen musste. Bewegt man sich langsam, bleiben die Rinder entspannt liegen und man braucht keine Angst zu haben, dass sie aggressiv werden könnten. Hin und wieder lassen sich Vögel auf den Rindern nieder, die man dann im Vorbeigehen ebenfalls beobachten kann.

Playa Ventanas – Strand mit „Fenster-Höhlen“

Geht oder fährt man vom Hotel Villas Gaia aus ein Stück die Straße Richtung Puerto Quepos entlang, so gelangt man auf der linken Straßenseite auf einen Weg, der zu einer kleinen, bezaubernden Badebucht namens Playa Ventanas führt. Gleich hinter dem Strand dieser Bucht beginnt das grüne Hinterland. Dicht bewachsene Felsen begrenzen die Bucht zu beiden Seiten. Der Strand fällt relativ flach in den Pazifik ab, so dass sich diese Bucht sehr gut zum Baden eignet, es sei denn, der Wellengang ist durch starke Winde besonders hoch. Dann ist mit Unterströmungen zu rechnen, die für Badende gefährlich werden können.

Der Name „Las Ventanas“ bedeutet auf Deutsch „die Fenster“. Woher die Bucht ihren Namen hat, wird sofort klar, wenn man die Felsen im nördlichen Teil des Strandes näher betrachtet. Im unteren Teil der großen, mit Palmen und anderen Pflanzen bewachsenen Felswand befinden sich Höhlen, die an einer Seite offen sind. Durch diese Tunnel laufen die Wellen des Ozeans, und an manchen Stellen kann man durch den Fels hindurchsehen wie durch Fenster. Es lohnt sich, auf die heranrollenden Wellen zu warten. Das Naturschauspiel der tosend durch die Felstunnel strömenden Wassermassen mit ihren weißen Gischtkronen ist nur an wenigen Orten der Welt zu bewundern.