Es gibt in Costa Rica viele stark frequentierte Orte und solche, die für Naturbegeisterte echte Sehnsuchtsorte sind. Zum einen sind es meist eher ruhige, abgelegene Orte und zum anderen gibt es dort viel (unberührte) Natur. Ein solches Paradies durfte ich selbst im Jahr 2004 auf der Halbinsel Osa besuchen und erleben. Diese Halbinsel liegt im Südwesten des Landes und ragt wie ein breiter Sporn in den Pazifik. Sie gehört zu den heißesten und gleichzeitig regenreichsten Gegenden Costa Ricas. Als ich im Februar 2004 dort war, lagen die Temperaturen weit über 30 °C. Gleichzeitig war die Luft sehr feucht – eine direkte Folge der ergiebigen Niederschläge, die für diesen Teil des Landes typisch sind. Die Halbinsel Osa ist berühmt für ihre ausgedehnten geschützten Naturareale. Zusammengefasst heißen sie Área de Conservación Osa oder auf Englisch Osa Conservation Area. Eines dieser Schutzgebiete ist der Corcovado-Nationalpark, der am 24. Oktober 1975 gegründet wurde. Er umfasst eine Landfläche von etwa 424 km² und ist damit das größte Schutzgebiet Costa Ricas.
In der Nähe dieses Nationalparks habe ich 2004 einige Zeit verbracht. Meine Unterkunft war Poor Man’s Paradise, wenige Kilometer südwestlich der Drake Bay (Bahía Drake). Obwohl nicht im Nationalpark gelegen, empfand ich die Umgebung dieser Unterkunft damals als sehr artenreich und landschaftlich schön. Mein Weg zur Osa-Halbinsel oder genauer zum PMP, wie das Poor Man’s Paradise der Einfachheit halber oft genannt wird, führte über das Dorf Sierpe, das sich am gleichnamigen Fluss befindet. Sierpe war damals so klein, dass man die Unterkünfte für Reisende beinahe an einer Hand abzählen konnte. Auch die Häuser der Einheimischen waren nicht sehr zahlreich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Situation dort inzwischen massiv verändert hat. Auf neueren Satellitenbildern sieht die Umgebung ganz anders aus, als ich sie damals erlebt habe. Tatsächlich gibt es heute sogar einen kleinen Flughafen in Bahía Drake; damals musste ich noch über Palmar Sur anreisen.
Im Dorf Sierpe stieg ich 2004 in ein Boot um, mit dem wir den Fluss bis zu seiner Mündung in den Pazifik hinunterfuhren. Dann ging die Fahrt an der Küste entlang weiter nach Süden. Am Anfang war es für mich eine sehr entspannte Reise. Der Fluss floss träge dahin und auf dem braunen Wasser schwammen Flöße aus Wasserpflanzen. Über uns flogen verschiedene Vögel, darunter ein Schwarm Schneesichler (Eudocimus albus). Im Mündungsbereich säumen Mangrovenwälder den Fluss, was diese Gegend für naturbegeisterte Menschen besonders interessant macht.
Doch nach etwa 40 Minuten ist es mit der ruhigen Fahrt vorbei gewesen, denn vom Sierpe aus ging es auf den Pazifik. An der Mündung treffen die Wassermassen des Flusses auf die des Ozeans, was vor allem bei Flut an den Booten rüttelt. Hat man diesen etwas holprigen Abschnitt hinter sich gelassen, wird man auf dem Weg zum Poor Man’s Paradise für die nächsten 20 bis 30 Minuten von den Wellen des Pazifiks geschaukelt. Die Route führt an kleinen Felseninseln vorbei, auf denen häufig Braunpelikane (Pelecanus occidentalis) und andere Seevögel ruhen.
Das Hotel Poor Man’s Paradise liegt am Strand Playa Rincon de San Josecito. Fast alle neu ankommenden Gäste erlebten damals die Ankunft an diesem traumhaften Ort im wahrsten Sinne des Wortes als erschütternd: In einem Moment scheint die Welt noch in Ordnung und der Fahrtwind des Bootes lindert die Hitze der Tropensonne. Dann dreht das Boot plötzlich ab und rast direkt auf den Sandstrand zu. Ehe man sich versieht, wird man kräftig durchgeschüttelt und mit einem Ruck kommt das Boot vor dem großen Schild des Hotels auf dem Sand zum Stehen. So landet man quasi vor der Haustür der Anlage und spürt sofort die drückende Tropenhitze, die dort herrscht. Dass das Boot so auf den Strand fuhr, hatte übrigens einen einfachen Grund: Es gab damals keinen Landungssteg. Ein Blick auf aktuelle Satellitenbilder zeigt, dass das immer noch so ist.
Obwohl mir damals bei der Ankunft zunächst sehr warm war, hat mich die fantastische Atmosphäre des Ortes schnell in ihren Bann gezogen und vom Schwitzen abgelenkt. Nicht nur auf dem Schild des Hotels sah ich Hellrote Aras (Ara macao). Mehrere dieser auffällig gefärbten, großen Papageien flogen krächzend über das Hotelgelände; ich sah sie in den folgenden Tagen noch mehrmals. Dass es diese Hotelanlage heute gibt, hat mit dem Wunsch früherer Reisender zu tun, der Natur nahe zu sein. Vor einiger Zeit hatte ein Tico an dieser Stelle ein Zelt für Reisende aufgebaut, die diesen ebenso abgelegenen wie malerischen Ort in unmittelbarer Nähe des Corcovado-Nationalparks besuchen wollten. Aus einem Zelt wurden im Laufe der Zeit mehrere, aus einfachen Stoffzelten etwas luxuriösere, die durch leichte Dächer vor den mitunter heftigen Regenschauern geschützt waren, und schließlich kamen einfache Holzbungalows auf Stelzen hinzu.
Als ich dort war, waren sie noch fester Bestandteil von Poor Man’s Paradise und hatten einen rustikalen Charme. Die Bungalows waren mit WC und Dusche ausgestattet. Wer zeltete, musste ein Stück zu Fuß gehen, um zu den sanitären Einrichtungen zu gelangen. Inzwischen scheint es übrigens nur noch Bungalows zu geben, wie der Website des Hotels zu entnehmen ist. Wie es heute ist, kann ich nicht sagen. Früher gab es jedoch tagsüber nur stundenweise Strom. Um 21 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Ohne Taschenlampe hätte ich mich abends auf dem Gelände nicht zurechtgefunden. Aber eigentlich habe ich die abendliche Dunkelheit sogar begrüßt. Denn nirgendwo sonst in Costa Rica habe ich einen so überwältigend schönen Sternenhimmel erlebt wie auf der Halbinsel Osa! An einem Abend spiegelte sich die untergehende Venus im Wasser. Die leichten Wellen erzeugten eine silberne „Straße“ aus ihrem Licht – es war einfach magisch!
Viele Sandstrände auf der ganzen Welt werden als Traumstrände bezeichnet. Einige dieser Strände sind in der Tat sehr schön. Aber mit der Schönheit der Bucht, an der das PMP liegt, können es meiner Meinung nach nur wenige Strände aufnehmen. Besonders bei Ebbe hat mich der breite Strand mit den Wolken- und Himmelsreflexionen, die sich im Wasser spiegelten, in seinen Bann gezogen. Bei Flut lädt die Bucht zum Baden ein. Eine erfrischende Abkühlung sollte man allerdings nicht unbedingt erwarten. Als ich im Februar 2004 in der Drake Bay badete, fühlte sich das fast 30 °C warme Ozeanwasser fast wie eine riesige Badewanne an …
Die Strahlen der am Horizont verschwindenden Sonne tauchen die Bucht abends in phänomenales Licht. Mitunter laufen am Abend Pferde übermütig am Strand entlang. Tagsüber kann man auf den Tieren reiten, abends durften sie sich damals ohne Menschen austoben. Diesen wunderbaren Strand musste ich mir 2004 nur mit wenigen anderen teilen, die zur selben Zeit wie ich im Hotel wohnten. Das Hinterland des PMP hat seine ganz besonderen Reize. Ein morgendlicher Spaziergang lohnt sich dort besonders. Wenn die Sonne ihre ersten Strahlen auf den feuchten Wald schickt, sieht man Nebelschwaden zwischen der üppigen Vegetation aufsteigen. Viele verschiedene Vogelarten begrüßen den Tag mit ihrem Gesang und ihren Rufen oder sitzen hoch oben in den Bäumen – ideale Bedingungen für schöne Fotos. Außerdem ist es morgens noch relativ kühl und der leichte Anstieg hinter dem Hotelgelände lässt sich wesentlich angenehmer bewältigen als beispielsweise in den heißen Mittagsstunden.
Was die Naturbeobachtung betrifft, war diese Bucht für mich ein echtes Highlight in Costa Rica. Unzählige Vögel, bunte Schmetterlinge, Südamerikanische Fischotter (Lontra longicaudis) und betörend duftende Blumen buhlten um meine Aufmerksamkeit. Ich hatte ein echtes Luxusproblem, weil es so viel zu beobachten gab, dass ich kaum hinterherkam. An einem der Tage, die ich dort verbrachte, wollte ich es einfach mal ruhig angehen lassen. Also legte ich mich in der Nähe eines fruchttragenden Baumes auf den Boden und wartete auf Vögel, und sie kamen in Scharen. In nur einer Stunde, die ich gemütlich im Gras liegend verbrachte, konnte ich fast 30 verschiedene Vogelarten beobachten, die sich an den kleinen grünen Früchten gütlich taten.
Auch die Unterwasserwelt des Pazifiks sollte man sich nicht entgehen lassen. Ich hatte meine Schnorchelausrüstung im Gepäck und stürzte mich bei den Felsen am nördlichen Ende des Strandes in die Fluten. Dort konnte ich viele schöne Fischarten beobachten. Wegen der zahlreichen Möglichkeiten zur Naturbeobachtung ist die Halbinsel Osa für mich zu einem Lieblingsort in Costa Rica geworden.