Im Nordwesten Costa Ricas, in der Provinz Puntarenas, liegt die Ortschaft Santa Elena. Sie befindet sich in der Region Monteverde. Auf Deutsch bedeutet das grüner Berg. Für Naturnegeosterte ist die Gegend ein Magnet, denn sie beherbergt eines der größten Naturwunder des mittelamerikanischen Landes: weitgehend unberührten Bergnebelwald. In Höhen zwischen 1.330 m und 1.550 m über dem Meeresspiegel liegen die Temperaturen ganzjährig zwischen 13 °C und 24 °C. Damit ist es dort im Vergleich zum Großteil Costa Ricas relativ kühl.

Santa Elena bzw. Monteverde und der artenreiche Wald liegen an den Hängen der Cordillera de Tilarán, die Teil des Costa Rica durchziehenden Gebirgssystems ist. Sie bildet die kontinentale Wasserscheide und ist gleichzeitig eine mächtige Barriere für Wolken. Diese bleiben an der Bergkette hängen und bringen der Region viel Nebel und Regen. Darin liegt der Schlüssel zum Artenreichtum, denn die hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt das Vorkommen unzähliger Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. So kann man rund um Santa Elena Flechten, Moose, Insekten, Vögel und viele andere Organismen beobachten. Kein Wunder, dass viele Reisende gerne hierher kommen und sich von der Artenvielfalt begeistern lassen.

Ausgangspunkt für Ausflüge und Exkursionen ist in der Regel Santa Elena. Von dort aus sind die Attraktionen der Umgebung in wenigen Minuten mit dem Auto oder Bus zu erreichen, zu manchen kann man in relativ kurzer Zeit wandern. Lohnenswerte Ausflugsziele für Naturinteressierte sind der Hängebrückenweg im Sky Adventures Monteverde Park, das Nebelwaldreservat La Reserva Bosque Nuboso Santa Elena, der Wasserfall El Tigre und der Orchideengarten El Jardín de Orquídeas de Monteverde. Wer den Nervenkitzel liebt, kann an mehreren Stellen an Seilen durch die Baumkronen gleiten. Da es in Santa Elena gute Einkaufsmöglichkeiten gibt, ist es leicht, sich für längere Ausflüge mit Proviant einzudecken. Entlang der Hauptstraße des Ortes befinden sich Restaurants und weitere Einkaufsmöglichkeiten, beispielsweise für Drogerieartikel.

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es solche Angebote in dieser grünen Bergregion nicht. Das Gebiet wurde erst relativ spät besiedelt. In den 1940er-Jahren ließen sich fünf costa-ricanische Familien dort nieder, 1951 kam eine Gruppe von Quäkern aus den USA hinzu. Diese religiösen Menschen lebten damals sehr einfach und produzierten viele ihrer Lebensmittel selbst. Noch heute sind ihre Milch- und Käseprodukte im Land berühmt und in einer kleinen Käserei in der Nähe von Santa Elena kann man die hochwertigen Produkte der Quäker kaufen.

Auch wenn der Käse sehr schmackhaft ist, kommen die meisten Menschen nicht wegen ihm in die Region, sondern um die Natur zu erleben. Viele Reisende nehmen die lange und – je nach Route – ziemlich holprige Fahrt nach Monteverde gerne auf sich, um den faszinierenden Bergnebelwald zu erkunden. Die Atmosphäre in diesem feuchten Lebensraum mit seinem Pflanzendickicht ist einzigartig und nicht mit den Tieflandregenwäldern zu vergleichen. Sowohl 2004 als auch 2012 besuchte ich einen beeindruckenden Hängebrückenpfad, um die in der Kronenregion der Bäume besonders lebhafte Natur zu erkunden.

Hoch hinaus im Bergnebelwald

Das Kronendach des Waldes aus nächster Nähe betrachten zu können, ist ein ganz besonderes Erlebnis, für das man allerdings schwindelfrei und ohne Höhenangst sein sollte. In der Nähe des Zentrums von Santa Elena befindet sich der Treetopia Park, vormals Sky Adventures Monteverde Park. Dort kann man verschiedene Abenteuertouren buchen, bei denen man zum Beispiel an gespannten Seilen entlang rutscht oder auf einem nahe gelegenen Fluss Rafting betreibt. Man kann aber auch ganz entspannt in einer Gondel sitzend den Wald bewundern (Sky Tram). Oder man begibt sich zu Fuß auf dem Sky Walk ins dichte Grün. Der Rundwanderweg mit seinen Hängebrücken, die sich durch die Kronen der Urwaldriesen spannen, ist sehr sehenswert, auch wenn der Eintritt nicht ganz billig ist.

Eine zweistündige Wanderung über die Hängebrücken kostet für Erwachsene 24 US-Dollar, eine Gondelfahrt 31 US-Dollar (Stand: Oktober 2024). Ich selbst war nur zu Fuß unterwegs. Entlang des Rundweges gibt es Abschnitte mit festem Boden, die durch Hängebrücken miteinander verbunden sind. So viel sei verraten: Die Brücken schwanken zum Teil erheblich und sind daher für Menschen, die nicht trittsicher sind oder in der Höhe Angst haben, nicht geeignet.

Die Touren können auf eigene Faust oder als geführte Wanderungen unternommen werden. Wenn man nicht geübt ist, die Tiere, Pflanzen und Pilze des Waldes zu entdecken, kann man die eine oder andere Art leicht übersehen. Deshalb kann eine geführte Wanderung die bessere Variante sein, um den Bergnebelwald kennenzulernen.
Ist man hingegen alleine unterwegs, kann man die artenreiche Natur in seinem eigenen Tempo und mit individuellem Schwerpunkt erkunden. Wer zum Beispiel lieber nach Farnen und Orchideen Ausschau hält, wird bei einer geführten Tour, bei der es wahrscheinlich hauptsächlich um Vögel geht, nicht so sehr auf seine Kosten kommen wie bei einer Solotour. Mir hat besonders gefallen, dass ich an Stellen, die mir interessant erschienen, anhalten und in Ruhe fotografieren konnte.

Rund 400 Vogelarten werden im Bergnebelwald vermutet. Die meisten verraten sich vor allem akustisch, denn im Gewirr der unzähligen Blätter sind sie nur schwer auszumachen. Einige Arten machen es uns leichter, denn die Tiere halten sich gerne im Unterholz auf. Wer genau hinsieht und möglichst leise durch den Wald geht, hat gute Chancen, zum Beispiel einen Schwarzguan (Chamaepetes unicolor), einen großen Hühnervogel, im Geäst zu entdecken. Schwer zu finden ist der Quetzal (Pharomachrus mocinno), den viele für den schönsten Vogel Costa Ricas halten. Meist sitzen die prächtigen Vögel in den Baumkronen an schattigen Plätzen, so dass man schon genau hinsehen muss, um sie zu entdecken. Denn trotz ihrer auffälligen Färbung sind sie in der dichten Vegetation kaum auszumachen. Von betörender Schönheit sind auch die zahlreichen Blütenpflanzen und auf Bäumen wachsende Pflanzen (Epiphyten), darunter Bromelien, Tillandsien und Orchideen.

Am Ende des Wanderweges wartet ein weiteres Highlight: Die Kolibrigalerie lockt die quirligen Vögel an, die ihr den Namen gegeben haben. Zahlreiche Kolibritränken und Bänke laden zum Verweilen im Schatten ein. Scheint die Sonne auf die Vogeltränken, bieten sich ideale Bedingungen, um die Tiere zu fotografieren. Lebhaft schwirren die Vögel um die begehrte und energiereiche Nahrung. Manchmal entbrennt ein heftiger Kampf um die besten Plätze an den Nektarspendern. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine zierliche Purpurkehlnymphe (Lampornis calolaemus) einen deutlich größeren Violettdegenflügel (Campylopterus hemileucurus) furchtlos vertreibt. Übrigens: Wer Kolibris liebt, sollte auch die Cafeteria El Colibri in der Nähe von Santa Elena besuchen, siehe auch weiter unten.

Im Nebelwald-Schutzgebiet: La Reserva Bosque Nuboso Santa Elena

Eines der beiden Nebelwaldschutzgebiete der Region heißt La Reserva Bosque Nuboso Santa Elena. Anfang der 1990er-Jahre wurde es in der Nähe des Zentrums von Santa Elena eingerichtet. Es ist rund 320 Hektar groß, 80 % davon sind mit Primärwald bedeckt, in dem viele zum Teil seltene Tierarten sowie zahlreiche Pflanzen und Pilze leben. Insgesamt ist das Gebiet sehr artenreich und entsprechend gut sind dort die Beobachtungsmöglichkeiten. Beeindruckend sind vor allem die vielen Epiphyten, die im gesamten Schutzgebiet auf den unteren Ästen und Stammteilen der Bäume wachsen. Das Totholz bietet verschiedenen Pilzarten einen idealen Lebensraum. Diese Organismen spielen eine entscheidende Rolle bei der Zersetzung umgestürzter Baumriesen und damit im Ökosystem Bergnebelwald.

Cafeteria El Colibri (Café Colibri)

Ein idealer Ort, um Kolibris im Bergnebelwald von Monteverde zu beobachten, ist die Cafeteria El Colibri, auch Café Colibri genannt. Es liegt nur wenige Meter vom Eingang des Naturschutzgebietes La Reserva Bosque Nuboso Santa Elena entfernt an der Straße Carretera a Reserva de Monteverde. Das Café ist in einem kleinen, zweigeteilten Gebäude untergebracht. Es gibt ein winziges Restaurant und einen Laden, in dem man Souvenirs wie T-Shirts, Schmuck und Bücher über Costa Rica kaufen kann und in dem Fotos aus dem Nebelwald ausgestellt sind. Auf der Speisekarte der Cafeteria stehen Snacks wie Empanadas und Kuchen. Kaffee, Tee und Kaltgetränke werden ebenfalls angeboten.

Auf der teilweise überdachten Terrasse des Cafés stehen einige Bänke, von denen aus man einen freien Blick auf die zahlreichen Futterspender hat, die auf dem Gelände aufgestellt wurden. An diesen Futterstellen tummeln sich Kolibris und einige andere Vögel. Vor allem die Kolibris sind so an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt, dass man sich ihnen bis auf wenige Zentimeter nähern kann. Mir sind dort wunderbare Fotos gelungen, ohne dass sich die Vögel gestört gefühlt haben. Es lohnt sich übrigens auch, ein wenig über das Gelände der Cafeteria zu schlendern, denn in der dichten Vegetation halten sich interessante Insekten und andere Wirbellose auf.