An der Pazifikküste des Landes, also westlich von Costa Ricas Hauptstadt San José, befindet sich der Carara-Nationalpark, auf Spanisch Parque Nacional Carara. Er ist heute 5.280 Quadratkilometer groß und er geht auf ein im Jahr 1978 eingerichtetes Schutzgebiet namens Reserva Biológica Carara zurück; seit 1998 hat es den Status eines Nationalparks. Südlich des Río Tárcoles gelegen, beherbergt es eine Besonderheit unter den Lebensräumen: In ihm gehen Feuchtwald und Trockenwald ineinander über, woraus sich eine enorm großen Artenvielfalt ergibt. Dieser als Übergangswald bezeichnete Lebensraum ist einerseits für all jene besonders interessant, die Pflanzen beobachten möchten. Andererseits ist er Heimat zahlreicher Wirbellose wie Insekten und Spinnentiere sowie etlicher Wirbeltiere, darunter Säugetiere und Vögel.

Erleben lässt sich dieses Naturjuwel von einem rund 1,2 Kilometer langen Wanderweg aus. Diesen Pfad zu verlassen, ist nicht gestattet, um die Natur nicht zu schädigen und keine Tiere zu stören. Geöffnet ist der Carara-Nationalpark täglich. Während der Trockenzeit von Dezember bis April kann er von 7 Uhr bis 16 Uhr besucht werden, in der Regenzeit und somit während der übrigen Monate des Jahres von 8 Uhr bis 16 Uhr. Nicht-einheimische Naturinteressierte müssen im Informationszentrum einen Eintrittspreis von 10 US-Dollar entrichten (Stand: Dezember 2022). Dort bestand während meines Besuchs des Nationalparks im Jahr 2012 die Möglichkeit, sauberes Wasser für die Wanderung in mitgebrachte Flaschen abzufüllen und ein WC aufzusuchen. Zumindest Letzteres dürfte sicherlich heute noch der Fall sein. Rund um den Parkplatz herum finden sich in dem eher offenen Bereich einige blühende Pflanzen, die von Schmetterlingen und anderen Insekten besucht werden.

Biodiversität hautnah erleben

In diesem faszinierenden Übergangswald gibt es insgesamt fünf Vegetationszonen. Dichter tropischer Regenwald dominiert im südlichen Teil des Carara-Nationalparks. Beim dortigen Baumbestand handelt es sich um das nördlichste pazifische Regenwaldgebiet, das in Costa Rica noch existiert. Nördlich von ihm erstrecken sich Trockenwälder. Abgesehen von diesen beiden unterschiedlich feuchten Waldtypen und ihrem Übergangsbereich finden sich noch weitere. Es gibt Primärwald, also einen Lebensraum, der bisher nicht von Menschen beeinflusst  beziehungsweise anderweitig zerstört wurde. Daneben existieren Sekundärwälder. Hierunter sind Baumgesellschaften zu verstehen, die sich dort entwickelt haben, wo der einstige Primärwald zerstört worden ist.

Ein anderer imposanter Lebensraumtyp, der im Carara-Nationalpark vertreten ist, wird als Galeriewald bezeichnet. Es handelt sich bei ihnen um Wälder, die zumeist auf einem relativ schmalen Streifen entlang eines Flussufers stehen. Galeriewälder befinden sich entweder in ansonsten unbewaldeten Arealen oder wachsen in anderen Waldtypen. Im Nationalpark liegen ferner sumpfige Bereiche, weil es etliche mehr oder minder großer Wasserläufe gibt. Dort, wo sie in Senken fließen, bilden sich Tümpel, die für gewöhnlich aber nicht allzu tief sind. Viele Wasserläufe des Carara-Nationalparks führen während des gesamten Jahres Wasser, einige können vorübergehend austrocknen.

Mindestens rund 500 verschiedene Pflanzenarten – andere Quellen sprechen sogar von über 700  Spezies – sollen im Carara-Nationalpark vorkommen. Einige von ihnen sind in Costa Rica endemisch, haben demnach ihr natürliches Verbreitungsgebiet nur dort. In den Wäldern sieht man unter anderem riesige Artgenossen der in Deutschland in kleinen Blumentöpfen auf Fensterbänken vegetierenden Köstlichen Fensterblätter (Monstera deliciosa). Schmarotzerpflanzen wie Würgefeigen (Ficus spec.) winden sich um die Stämme der Urwaldriesen und im Unterholz verstecken sich Tiere wie die scheuen Mittelamerikanischen Agutis (Dasyprocta punctata) oder der Gemeine Schwarzleguan (Ctenosaura similis). Er gehört zu den rund 125 im Schutzgebiet nachgewiesenen Reptilienarten – das entspricht etwas mehr als der Hälfte aller in Costa Rica beheimateter Reptilienspezies. Die Amphibien sind in dem Nationalpark mit knapp 60 Arten vertreten, aus der Klasse der Säugetiere wurden bereits rund 110 Arten dort nachgewiesen.

Vor allem jene Menschen, die gern Vögel sehen möchten, sind im Carara-Nationalpark bestens aufgehoben. Circa 420 Spezies soll es in dem geschützten Waldgebiet geben – Tukane, kleine Singvögel, Spechte und die prächtigen Hellroten Aras (Ara macao), auch Scharlacharas oder Arakangas genannt, sowie eine große Zahl weiterer Arten lassen sich mit ein wenig Glück beobachten. Einige Arten machen es uns leicht, weil sie sich sehr auffällig verhalten, für andere braucht man viel Geduld. Nicht zu übersehen sind die bis zu 90 Zentimeter langen Hellroten Aras, von denen etliche im Nationalpark brüten. In Costa Rica hörte ich während meiner Reise im Jahr 2012, dass damals über 100 Individuen ihren Nachwuchs im Carara-Nationalpark großgezogen haben sollen. Insbesondere am frühen Morgen stehen die Chancen gut, diese stattlichen und dann sehr ruffreudigen Papageien zu Gesicht zu bekommen.

Darüber hinaus lohnt es sich, während einer Exkursion in das Schutzgebiet auf die vielen farben- und formenreichen Insekten sowie andere kleine Wirbeltiere zu achten, die sich beispielsweise auf Blüten oder Zweigen, auf der Unterseite von Blättern oder auf der Rinde von Bäumen aufhalten. Zwischen dem Falllaub auf dem Boden tummeln sich ebenfalls etliche Wirbellose. Des Weiteren trifft man am Boden Pfeilgiftfrösche an, die zwischen der niedrigen Vegetation umherhüpfen und nach Nahrung suchen. Aufgrund ihrer leuchtenden Färbung sind sie leicht auszumachen. Wegen ihrer Giftigkeit haben sie es nicht nötig, farblich mit ihrer Umgebung zu verschmelzen.

Manche Bäume im Carara-Nationalpark haben Stelzwurzeln. Diese Wurzeln erlauben es den entsprechenden Baumarten, sich mit der Zeit langsam vom Fleck zu bewegen. Das heißt, sie verlagern ihren Stamm im Zeitlupentempo zentimeterweise in eine bestimmte Richtung, indem sie ihre langen Wurzeln entsprechend ausbilden. Zu den Bäumen mit solchen speziellen Wurzeln gehören die Schraubenbäume, deren „Stelzen“ besonders eindrucksvoll sind. Darüber hinaus lassen sich Bäume mit breiten Brettwurzeln beobachten. Diese Wurzelform verleiht den meist sehr hohen Bäumen eine sichere Standfestigkeit auch bei Wind. Je nach Alter der Bäume und abhängig von ihrer Art können diese Brettwurzeln über zwei Meter hoch werden.

Wie in allen Wäldern in den Naturschutzgebieten Costa Ricas greift der Mensch normalerweise nicht ein, wenn Bäume umstürzen. Sie bleiben an Ort und Stelle liegen und stehen dem natürlichen Kreislauf als Nährstofflieferanten zur Verfügung. Maßgeblich an der Zersetzung des Holzes beteiligt sind verschiedene Pilzarten, die man im Carara-Nationalpark sehen kann. Sie wachsen entweder auf liegendem Totholz wie umgestürzten Stämmen oder abgebrochenen Ästen. Andere Pilze gedeihen hingegen auf dem Boden. Herabgefallene Früchte werden von Schimmelpilzen zersetzt, sofern sie nicht von Tieren gefressen werden. Die Fruchtkörper etlicher Pilzspezies sind ebenso eine wichtige Nahrungsquelle für zahlreiche Tiere.

Wer im Carara-Nationalpark wandert, um dort Tiere zu suchen, sollte sich möglichst leise verhalten und sehr genau hinschauen. Im dichten Blattwerk ist die Tarnung perfekt. Oft verrät nur ein Rascheln, dass sich irgendwo ein Tier aufhält. Am besten nimmt man ein Fernglas mit, um auch weiter vom Weg entfernte Tiere, Pflanzen und Pilze bestaunen zu können. In den Morgenstunden lassen sich viele Vögel beim Singen erleben. Oder sie halten sich an ihren Nahrungspflanzen auf und nehmen ihr Frühstück ein. Am besten ist es, nach einem wilden Feigen- (Ficus spec.) oder Avocadobaum (Persea spec.), der reife Früchte trägt, Ausschau zu halten. Dort finden sich meist rasch verschiedene Vogelarten ein, um ihren Hunger zu stillen.

Beobachtungen und weitere Fotos aus diesem Gebiet auf naturgucker.de ansehen.

Beeindruckende Panzerechsen

Eine weitere Attraktion, die nur zwei Kilometer vom Nationalpark entfernt zu finden ist, sind die berühmten Spitzkrokodile (Crocodylus acutus) dieser Region. Die großen Reptilien halten sich an der Brücke auf, die den Río Tárcoles überspannt. Meist sieht man die durchschnittlich bis zu vier Meter langen Tiere reglos und mit geöffnetem Maul in der Sonne liegen. Nur wenige von ihnen ziehen den Schatten unter der Brücke vor. In der Nähe der respekteinflößenden Tiere staksen oft Reiher und andere Wasservögel umher und suchen am Flussufer nach Nahrung. Mehrheitlich halten sie dabei gebührenden Abstand von den Krokodilen, um nicht selbst als Snack zu enden.

Menschen sollten sich diese Vorsicht von den Vögeln abschauen und sich nicht für Selfies und Co. zu nah an die Tiere oder über sie begeben. Spitzkrokodile mögen behäbig wirken, wenn sie sich ausgiebig sonnen. Doch sie können sich blitzartig aufrichten und sehr leicht Distanzen von mehreren Metern überwinden. Außerdem können sie erstaunlich hoch emporschnellen und mit dem Maul nach allem packen, das sich über ihnen befindet.

Für die Beobachtung der Krokodile muss keinerlei Eintritt bezahlt werden. Sie lassen sich problemlos von der Brücke aus betrachten – sofern es gelingt, dort einen freien Platz zu finden. Mitunter halten sich dort viele Interessierte auf und man muss sich in Geduld üben, bis ein Platz mit guter Aussicht auf die Tiere frei wird. Dass die Brücke mal so leer ist, wie ich sie 2012 vorgefunden habe, hat Seltenheitswert.

Im Übrigen hat die Tatsache, dass an dem Fluss so viele dieser Reptilien leben, zur Namensgebung des in der Nähe gelegenen Nationalparks beigetragen: Carara bedeutet in der lokalen indigenen Sprache „Fluss der Krokodile“.